Goethe-Institut und Deutsche Rentenversicherung haben sich geeinigt – zu Lasten der Honorarkräfte. Zum Bericht in der Berliner Morgenpost

Was das genau bedeutet, wird in der Berliner Zeitung klar gemacht, nämlich: Apartheid am Goethe-Institut.
Auch die Frankfurter Rundschau berichtet.

Das Bündnis DaF/DaZ-Lehrkräfte schreibt einen Offenen Brief.
Die Deutsche Welle kommentiert.

 

Aus der Solidaritätsadresse der Hamburger Lehrkräfte vom Februar 2017:
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Liebe KollegInnen vom Goethe-Institut,

ihr seid aufgebracht und demonstriert und ihr habt dabei unsere volle Solidarität, denn das, was das Goethe-Institut mit euch macht, ist ein Riesenskandal!!

Jahrelang hat das Goethe-Institut von eurer Arbeit profitiert – und es hat mehr als profitiert, denn eure angebliche “Selbständigkeit” diente vor allem der Verringerung eures Arbeitsentgelts und um euch die Rechte abhängig Beschäftigter zu nehmen. Das Goethe-Institut hat auf diese Weise die Sozialabgaben eingespart und Tarifverträge verhindert.
Es hat sich ausgezahlt. Und die Begründung, es ginge beim Einsatz von Honorarkräften nur um den Ausgleich von Schwankungen ist angesichts eurer jahrelangen Tätigkeit nur Tüll, so durchsichtig wie irgendeine Schutzbehauptung.

Was könnte die Behauptung eurer Selbständigkeit mehr Lügen strafen, was weist mehr auf den Zustand der Scheinselbständigkeit hin, als die Situation, in der ihr jetzt seid: Von einem Tag auf den anderen ohne Arbeit, ohne Rücklagen, ohne Sozialversicherung! Und noch ein weiterer Sinn der Übung angeblicher “Selbständigkeit” zeigt sich im Verhalten eurer Leitung: Bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten gibt sie euch von einem Tag auf den anderen keine Aufträge mehr, eure Scheinselbständigkeit dient der Abwälzung des unternehmerischen Risikos auf euch Beschäftigte.

Jetzt ist der Skandal offensichtlich, der Kaiser ist nackt. Solche Arbeitsverhältnisse sind erniedrigend und unsozial. Der Kaiser kann gehen. Aber der Kaiser denkt nicht daran aufzuhören! Aber wie kann er so unverfroren sein? Woher die Sturheit?

Sprechen wir nicht nur vom Goethe-Institut, denn diese Verhältnisse betreffen uns alle.
Das Goethe-Institut ist in einem besonderen Marktsegment, es handelt im Inland als freies Unternehmen und bietet für eine zahlungskräftige Nachfrage hochwertige Deutschkurse zu Marktpreisen an – aber warum enthalten die Marktpreise nicht ein auskömmliches Einkommen (mit sozialer Sicherung, Urlaub, ohne Altersarmut) für die hoch qualifizieren Lehrkräfte??

Das liegt an den Zuständen in der Weiterbildung insgesamt. Zwar wird der überwiegende Teil der Weiterbildung mit öffentlichen Mitteln finanziert, doch die Verteilung der Mittel wurde mit den Harz-“Reformen” auf marktwirtschaftliche Kriterien umgestellt. Bildung für alle mit marktwirtschaftlichen (sprich: profitorientierten) Kriterien geht nicht. Und Bildung für viele geht so nur um den Preis von Hungerlöhnen bei den Beschäftigten. Im Fall der Deutschkurse stiehlt sich der bei weitem wichtigste Nachfrager, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch Hinweis auf einen – real nicht vorhandenen – „freien Markt“ völlig ungerechtfertigt aus der Verantwortung.
Zu Billiglöhnen, scheinselbständig, ohne Sozialversicherung, ohne Urlaub, ohne Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, ohne ausreichende Alterssicherung, ohne Mitsprache, ohne Tarif – so sind die Verhältnisse in der öffentlich finanzierten Weiterbildung, in denen wir arbeiten!
Da sind 37 € für die Unterrichtsstunde überdurchschnittlich, da hat der Institutsleiter Lehmann recht.
Goethes Größe bestand darin, dass er in vielem über der Misere der deutschen Verhältnisse stand. Die zwergenhafte Größe der Institutsleitung besteht darin, den Zynismus der herrschenden Verhältnisse auszusprechen.

Wollen wir diese Zustände überwinden, dann geht das nur mit Solidarität.
Dafür braucht ihr unsere, dafür brauchen wir auch eure Solidarität! Lasst uns zusammen kämpfen gegen prekäre Beschäftigung und für eine Entlohnung in der Weiterbildung, die echte Selbständigkeit oder Festanstellung ermöglicht!
Gemeinsam können wir es schaffen!

Micha Pasquay

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