zuerst veröffentlicht am 9.9.2019 auf dem Blog der Freien Dozent*innen Berlin

Stellungnahme einer Kollegin: Deutsche Integrationsverweigerer, Teil 2

Neue Gesetze, gleiches Elend

Nach den unsäglichen Aussagen von Herrn Scheuer (CSU) über Migrant*innen, die die Frechheit besitzen, sich gut zu integrieren, wurde eine Stellungnahme veröffentlicht zur Integrationsverweigerung auf Seiten der deutschen Politik und Bevölkerung. Das war 2016. In einem Interview mit dem Handelsblatt bekleckert sich Herr Sommer, Präsident des BAMFs, auch 2019 keineswegs mit Ruhm, sondern legt nochmal nach.

Im Bezug auf die Forderungen nach Arbeitsmöglichkeiten und Deutschkursen für Flüchtlinge unabhängig von Status oder Bleibeperspektive sagt er: „Wir müssen alles vermeiden, was falsche Anreize für die illegale Migration nach Deutschland setzt…. Wer kein Bleiberecht hat, muss gehen…. Die Integrationskurse richten sich an Personen, die auf einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland vorbereitet werden – nicht an Ausreisepflichtige…. Wenn sich Personen in einem Integrationskurs befinden oder diesen erfolgreich absolviert haben, sehe ich die Gefahr, dass Abschiebungen nur noch schwer durchsetzbar sein werden.“
Die vielbeschworene Bleibeperspektive, auf die sich Sommer indirekt bezieht, ist allerdings keine inhärente Eigenschaft von Geflüchteten, sondern Definitionssache, und wird dementsprechend verschieden ausgelegt. Sie ist nicht im Gesetz klar definiert, und hat dennoch rechtlich massive Konsequenzen für die Betroffenen. Sie ist in der Praxis keineswegs für alle an eine individuelle Überprüfung gebunden, denn eine Überprüfung, wie sie im Asylgesetz eigentlich festgelegt ist, findet oftmals kaum statt. (www.proasyl.de/hintergrund/was-im-asylverfahren-passiert-und-was-dabei-alles-falsch-laeuft/). Stattdessen wird von Seiten des BAMF primär an die allgemeinen Schutzquoten der Herkunftsländer gekoppelt, wie Pro Asyl kritisiert. Auch Dr. Stephan Hocks von der Universität Gießen kritisiert die Bleibeperspektive als „nicht fallbezogen“.
Auch taucht in der leidlichen Diskussion um die Bleibeperspektive immer wieder die Idee auf, dass auch Migrant*innen aus den „falschen“ Herkunftsstaaten“ eine gute Bleibeperspektive erreichen könnten, wenn sie denn als gut integriert gelten. Als Beweise für diese Integration werden immer wieder Arbeitstätigkeit und Deutschkenntnisse genannt – also genau die Dinge, die ihnen nach Herrn Sommer verweigert werden sollen; und zwar auf Grund ihrer schlechten Bleibeperspektive. Chapeau! Die Katze beißt sich in den Schwanz, und keiner hat es gemerkt, schon gar nicht das Handelsblatt.
Und gleichzeitig kann man ihm fast nicht böse sein, ist doch zumindest seine arglose, weil konsequenzenlose, Ehrlichkeit fast schon löblich, wenn auch inhaltlich zutiefst abstoßend. Die restliche Politik und ihre Behörden haben derweil gelernt, die deutsche Integrationsverweigerung nicht auszuplaudern, sondern einfach umzusetzen. Migrant*innen immer wieder Steine in den Weg zu legen, um sie durch Zermürbung zum Gehen zu bewegen, ist nur eine neue Version der gleichen Abschreckungsstrategie, die seit der faktischen Abschaffung des Asylrechts in den 90er Jahren Immigration auf ein Minimum beschränken soll. Damals ein Zugeständnis an die Teile der Bevölkerung, die Heime anzündeten, heute ein Zugeständnis an die Wähler*innen, die der CDU weggelaufen sind und sich jetzt im braunen Sumpf der AfD pudelwohl fühlen.
Dass die Rückgewinnung von Stimmen durch Anbiedern und rechte Parolen nichts bringt, weil diese rechtsgesinnten Wähler*innen keinen Grund haben, „Rassismus light“ bei der CDU zu wählen, wenn sie bei der AfD das Original bekommen können, scheint im Bundestag immer noch nicht angekommen zu sein. Anstatt Leute zurückzugewinnen, verschieben die durch Taten und Worte den gesamten Diskurs nach rechts – und die AfD darf sich bei der nächsten Wahl wieder bedanken, dass andere Parteien ihnen nach dem Maul reden und Ressentiments salonfähig machen.
Auch dass Horst Seehofer als neuer Innenminister zuständig für das BAMF ist, ist nichts weiter als ein Teil dieses Zugeständnisses. Und er lässt seinen Worten, dass die Migration die Mutter aller Probleme sei, Taten folgen. Das Resultat ist ein Clusterfuck beeindruckenden Ausmaßes. Die Wartezeit für Deutschkurse hat sich seit 2016 fast verdoppelt, das seit Ende letzten Jahres eingeführte Computersystem des BAMF zwingt Verwaltungen kleinerer Träger in die Knie und bringt Verwaltungen größerer Träger immer noch zur Verzweiflung, und die immer wieder verschärften Regeln und überbordende Bürokratie treiben Teilnehmende zum Versagen, Lehrkräfte zur Kündigung und Träger zum Ausstieg aus den Integrationskursen.
Dabei sind diese Methoden nicht nur Schikane und letzten Endes Sabotage der Deutschkurse, sondern vor allem so absolut sinnentleert, dass selbst unsere Vorgesetzten in den Schulen oft nur noch mit dem Kopf schütteln können. Ein Beispiel: Das neue Computersystem zwingt die Träger dazu statt nur zum Kursstart einmal nun jeden Tag für jeden Kurs ein Datenpaket mit allen Namen, Nummern etc. ans BAMF zu schicken. Jeder Tippfehler löst dabei eine Fehlermeldung aus, die schlimmstenfalls eine Löschung des Kurses zur Folge haben kann, wenn sie nicht schnell genug behoben wird. Die Folge: Jeden Tag sind die Verwaltungen aufs Neue damit beschäftigt, alle Fehler zu korrigieren, und das Tagesgeschäft bleibt liegen. Ein Vorteil für das BAMF, z.B. eine schnellere Meldung von längerem Fernbleiben in den Kursen, ist nicht erkennbar, denn die Listen, die die tatsächliche Anwesenheit dokumentieren, werden wie immer erst zum Modulende auf Papier eingereicht.
Dieser Unsinn bedeutet, dass selbst diejenigen, die meinen, das BAMF würde Migrant*innen noch nicht genug trietzen, nicht auf ihre Kosten kommen, denn die täglich verschickten Datenberge sind nicht aktueller und ermöglichen keine bessere Kontrolle als die früheren einmaligen Meldungen zu Modulbeginn. Anders gesagt: das BAMF könnte genauso gut die Daten am Modulbeginn jeden Tag durch ihre eigenen Kopierer ziehen, es würde kaum einen Unterschied machen. Um tagesaktuelle Daten zu bekommen, müssten alle Lehrkräfte alle fehlenden Teilnehmenden jeden Tag melden, z.B. telefonisch oder durch persönliche Vorsprache im Büro, und die eh schon überlasteten Verwaltungen müssten diese Informationen jeden Tag ans BAMF weiterleiten. Das einzige, was damit eventuell noch zu erreichen ist, ist der Zusammenbruch des Nürnberger Telefonnetzes.
Verarbeiten wird das BAMF diese Informationsmassen eh nicht, ist doch gerade diese Behörde dafür bekannt, in derselben Geschwindigkeit zu arbeiten, in der Gebirge wachsen und vergehen. Trotz alledem wird das BAMF die Zeit voraussichtlich nicht zurückdrehen, um seine eigene Bürokratie in den Griff zu bekommen. Irgendwer profitiert schließlich immer davon, seien es Seehofer und Konsorten, die sich politisch profilieren können, weil keiner versteht, was sie tun, sei es die IT-Firma, die sich an dem Elend eine goldene Nase verdient.
Auch die Erklärungen, die das BAMF am 28.01.2019 in seiner Antwort auf den Offenen Brief der Freien Dozent*innen Berlin (freiedozentinnen.wordpress.com/2018/12/18/foerderung-statt-zwang-in-integrationskursen/) für eine Verschärfung der Fehlzeitenregelung gegeben hat, ergibt keinen wirklichen Sinn. Das BAMF schreibt in Hinblick auf die Meldung von Fehlzeiten, sowohl entschuldigt als auch unentschuldigt, an verpflichtende Stellen, z.B. das Jobcenter: „Um eine ordnungsgemäße Teilnahme am Integrationskurs zu gewährleisten, müssen Kursträger verpflichtende Stellen über Fehlzeiten informieren. … Die dient dazu, die verpflichtende Behörde in die Lage zu versetzen, mit dem Kursteilnehmer frühzeitig Kontakt aufzunehmen, um etwaige Kursabbrüche zu vermeiden. Die Träger der Grundsicherung sind bereits aus Rechtsgründen daran gehindert, Sanktionen an entschuldigte Fehlzeiten zu knüpfen. Gleichwohl ist die Information darüber wichtig für das Gesamtbild, auch um ggf. Unterstützung leisten zu können.“
Wenn also für das Jobcenter entschuldigte Fehltage bei der Leistungsberechnung keine Rolle spielen, und die Einstufung sowie die Einschätzung, ob ein*e Teilnehmende*r den Kurs trotz Fehlzeiten schafft, bei den Trägern bzw. den Lehrkräften und nicht beim Jobcenter liegt, wozu dann die Weitergabe der Information? Die Behörden fordern unserer Erfahrung nach sowieso permanent Nachweise von Anmeldung bzw. Teilnahme an den Kursen, d.h. sie erfahren auch so schon schnell genug von einem Kursabbruch. Daran hat sich durch die Herabsetzung der erlaubten Fehlzeiten von 30 auf 20 Prozent nichts geändert. Was ist besser? Was ist anders? Wem wird hier geholfen? Den Teilnehmenden auf jeden Fall nicht. Es ist ein fast schon drolliger Versuch des BAMF, sich als Freund und Helfer darzustellen. Dummerweise tun sie es gegenüber denjenigen, die ihre Praxis zu Genüge kennen und nicht darauf reinfallen werden. Wir als Lehrkräfte sehen diese Regelungen nach wie vor als das, was sie sind: Nur eine weitere Schikane, um für spätere Streichungen, Verweigerungen, Ablehnungen etc. schon mal die Begründungen bereit zu haben.
Den geäußerten Befürchtungen der Freien Dozent*innen Berlin, dass an einen Verstoß gegen die strikten Fehlzeitenregelungen, selbst bei entschuldigtem Fehlen, negative Konsequenzen für den Aufenthalt, den Familiennachzug sowie Wiederholerstunden im Deutschkurs geknüpft sein könnten, widerspricht das BAMF nämlich derweil nicht. Heißt das in der Konsequenz, dass diese Befürchtungen wahr sind? Oder möchte das BAMF sich dazu nicht äußern, um sich für spätere Restriktionen alle Optionen offen zu halten? Diese Ungewissheit ist vermutlich kein Unfall, keine Schlampigkeit des BAMF beim Beantworten ihrer Post, sondern auch nur ein Teil der Zermürbungsstrategie. Ähnlich handelt übrigens auch Horst Seehofer, der in Interviews offen zugibt, die Gesetze oft so komplex zu machen, damit andere Entscheidungsträger schlicht überfordert sind und seine neuen Niederträchtigkeiten einfach durchschlüpfen (https://www.sueddeutsche.de/politik/seehofer-datenaustauschgesetz-1.4479069).
Das Klima wird rauher, und die Zeiten stehen auf Spaltung. Die meisten neuen Vorschläge zu verschiedenen Migrationsgesetzen versuchen, Migrant*innen in immer kleinere, unterschiedlich privilegierte bzw. drangsalierte Gruppen zu unterteilen, um diese gegeneinander auszuspielen, und selbst nachdem Horst Seehofers sieben feuchte Träume Gesetz geworden sind, kriegen die deutschen Integrationsverweigerer den Hals nicht voll. Auch die Abschiebung Straffälliger in Kriegsgebiete, die spätestens seit AKK wieder spruchreif ist, passt in dieses Schema. Wir sollten nicht vergessen, dass die Abschiebungen einiger weniger sehr schnell zu einer Abschiebung vieler werden können. Irgendwie muss man ja den Schuh in die Tür bekommen.
Während also das Vorurteil des kriminellen Ausländers immer noch Wirkung zeigt, bricht gleichzeitig die BRD munter selber Gesetze, um Migrant*innen kleinzukriegen – ob nun die eigenen oder das EU-Recht. Sei es ein rechtswidriges Arbeitsverbot, ein rechtswidriger Ausschluss von Sozialleistungen oder die neuen Gesetze zum Familiennachzug; solange diese Verstöße konsequenzenfrei bleiben und niemand der BRD auf die Finger klopft, möge man uns mit dem üblichen rassistischen Recht-und-Ordnungsfimmel verschonen.
Zeitgleich machen Gespenstergeschichten über Deutschkurse die Runde, und sind nicht totzukriegen. Von der Mär, dass die Hälfte der Teilnehmenden durch den B1-Test fallen über Betrügereien bei Deutschkursen und Prüfungen ist die Stimmungsmache im vollen Gange. Dass es Schulen gibt, die krumme Dinger drehen, stimmt zwar, nur ist der Lösungsversuch des BAMF der Falsche. Anstatt alle Schulen unter Generalverdacht zu stellen und mit schikanösen Kontrollen zu bestrafen, wären gezielte Maßnahmen unter Einbeziehung der Lehrkräfte viel sinnvoller. Auch wir haben keine Lust auf Schulen, die unsere Kolleg*innen dazu zwingen, unter großem persönlichen Risiko z.B. Listen zu fälschen. Die wahren Abgezockten sind dabei übrigens nicht die vielbeschrieenen deutschen Steuerzahler, sondern vor allem die Teilnehmenden, die ihren Anspruch auf einen Deutschkurs verbraucht haben.
Aber warum sollten wir unter Drohung des Jobverlusts betrügerische Schulen ausgerechnet an die Behörde melden, die trotz jahrelanger Kritik immer weiter Regelungen verschärft, ohne gleichzeitig eine Verbesserung unserer Arbeitsbedingungen von den Trägern zu erzwingen, was das BAMF durchaus könnte? Welchen Grund hätten wir, dem BAMF zu trauen, nachdem unsere Kritik immer wieder auf taube Ohren stößt und wir nach wie vor so prekär arbeiten, dass wir es nicht riskieren können, das Maul aufzumachen?
Man kann sich fragen, was das alles soll. Warum sabotiert das BAMF die eigenen Integrationskurse, obwohl es gleichzeitig nicht müde wird, den Wert unserer Arbeit zu betonen? Uns scheint es so, dass die Schraubzwingen, die bei den Teilnehmenden, den Kursleitenden sowie den Trägern angelegt werden, alle Teile einer Strategie sind, die im Kern ein Bleiben der Migrant*innen verhindern wollen. Manchmal geschieht dies direkt, manchmal indirekt, aber immer steht dahinter dieselbe deutsche Integrationsverweigerung, die schon 2016 angeklagt wurde. Herr Scheuer und Herr Sommer sind mit ihrer Politik nicht alleine, sie waren nur bräsig genug, sie direkt auszusprechen.
Es ist ein politisches Kalkül, eine Atmosphäre der Überforderung zu schaffen, sei es eine Überbelegung und Unterversorgung der Heime (oder vorher der Turnhallen), sei es ein Mangel an Deutschkursen samt überbordender Bürokratie. Es ist keine Frage der Ressourcen, sondern es ist ein geplantes Versagen. Dies passiert, wenn ausgerechnet die Leute am Hebel dieser Programme sitzen, die diese Programme aus politischen Gründen eigentlich loswerden wollen. Daher ist es auch Unfug, immer wieder nur Probleme der Deutschkurse einzeln zu betrachten und sich immer wieder zu wundern, warum nichts von dem umgesetzt wird, was doch angeblich alle wollen. Die Integration ist nicht erwünscht, weil die Migrant*innen nicht erwünscht sind.
Die Kolleg*innen, die sich gegen eine Politisierung der Forderungen der Lehrkräfte wenden, aus Angst, damit potentiell auch Leute zu verschrecken, haben eines nicht verstanden: Unsere Situation ist schon längst politisiert, weil die Politik gegen Migration zwangsläufig unsere Arbeit betrifft. Solange Migration politisch nicht erwünscht ist, werden auch Angebote in diesem Bereich, z.B. unsere Deutschkurse, immer wieder sabotiert werden. Sich einer Politisierung des Konflikts zu verweigern, heißt nicht, neutral zu sein, denn den deutschen Integrationsverweigerern ist unsere Arbeit längst ein Dorn im Auge. Die angebliche Neutralität, die gewahrt werden soll, macht uns nur blind gegenüber unserer eigenen Ssituation, weil sie jegliche Analyse des politischen Kontextes verhindert.
Was also tun? Die Kundgebung am 20. Juni 2019 vor dem Innenministerium in Berlin ist nur ein Baustein von vielen, aber wir können bundesweit voneinander lernen, wie all diesem Elend zu begegnen ist. Nur zuzuschauen und mit den Schultern zu zucken ist keine Option mehr.
Vernetzt euch in euren Schulen mit Kolleg*innen und bildet Allianzen mit Leuten aus der Verwaltung. Etliche andere sind ebenfalls vom BAMF alles andere als begeistert, und es passiert viel zu viel hinter verschlossenen Türen!
Ihr wohnt nicht in Berlin? In eurer Stadt gibt es keine Gruppe des bundesweiten Daf/Daz-Bündnisses? Dann gründet eure eigene Gruppe und nervt die Zuständigen in euren Städten, Gemeinden und Bundesländern. Jede*r von uns kann einen offenen Brief schreiben, eine Kundgebung organisieren und die eigenen Politiker*innen nerven.
Sucht Zusammenarbeit mit migrantischen Gruppen und anderen Initiativen, die diese ganze braune Soße satt haben! Wir sollten uns nicht in Migrant*innen und Lehrkräfte, in Festangestellte und Freiberufler*innen, in Migrant*innen mit guter und mit schlechter Bleibeperspektive spalten lassen, sondern solidarisch miteinander handeln. Die Beschissenheit unserer Arbeitsbedingungen, die Schikane der Teilnehmenden und die Zermürbung der Schulen sind alles nur verschiedene Facetten der gleichen Strategie. Sie bedarf einer gemeinsamen Antwort aller Beteiligten und Betroffenen! Auch nach dem 20. Juni gilt:

Solidarität statt BAMF!

(c) David N. Koch

Zeit-Online berichtet über die Arbeitsbedingungen der VHS-Dozent*innen: “Ich unterrichte für weniger als 7 Euro die Stunde”, 07.10.2019. Interviewt werden mehrere Lehrkräfte aus verschiedenen Städten.

Dass die Frage nach dem Status und der Bedeutung der VHS-Dozent*innen ist nicht trivial ist, zeigt ein Blick in die Kommentarspalte zum Artikel. Hier zwei Beispiele:

“Volkshochschulen sind eben als Hobby zur Wissensvermittlung gedacht. Und nur weil einzelne das Konzept zum Lebensunterhalt missbrauchen wollen, sollten wir es nicht ändern.”
“VHS Dozenten SIND Lehrer zweiter Klasse, weil für die Tätigkeit an sich keinerlei Qualifikationen notwendig sind”.

Bis sich die Erwachsenenbildung als eigene Pädagogik in den Institutionen, den Köpfen und im Lebenslauf verankert, ist es offenbar noch ein weiter Weg. Hier zeigt sich die Notwendigkeit, auch darüber zu sprechen, was für eine Volkshochschule wir wollen und welche Schritte dorthin führen.

Weiterführende Links:
VHS-Petition “Gebt der Erwachsenenbildung eine Zukunft!”

Die Grüne Bundestagsfraktion hat am 25.09.2019 in Berlin ein Fachgespräch über Selbstständigkeit und Altersvorsorge veranstaltet, das mit einem Redebeitrag von Markus Kurth, rentenpolitischem Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, eröffnet wurde. Nach seiner Auffassung bewegen wir uns im Spannungsfeld zwischen dem Wunsch vieler Selbstständiger nach Autonomie und dem Bedürfnis anderer Selbstständiger nach gesetzlichem Schutz.

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Am  17.9.19 veröffentlichte “die Welt” einen  Artikel über die Integrations- und Alphakurse vom BAMF. Unter dem Titel “Bildungsniveau der Zuwanderer in Integrationskursen sinkt” berichtet der Artikel über die erste Zwischenbilanz der 2018 gestarteten Überprüfung der Wirksamkeit der BAMF-Kurse. Allerdings führt der Titel in die Irre, denn die Bilanz ist weitgehend positiv. Gesunken sind die Eingangskenntnisse der Kursteilnehmenden.

Mehr Alphabetisierungskurse müssen angeboten werden: Mehr als jede*r fünfte*t Teilnehmende*r  besucht schon heute diese Kursart. Die vom BAMF-Forschungszentrum geführte Untersuchung soll bis 2022 abgeschlossen werden.

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Gern leiten wir diese Anfrage weiter:

„Im Rahmen meiner Bachelorarbeit am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialpsychologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen- Nürnberg Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften führe ich eine Studie zum Thema „Erfahrungen von Lehrbeauftragten an Hochschulen in Deutschland“ durch.

Der Fragebogen kann online unter https://www.unipark.de/uc/Lehrbeauftragte/ ausgefüllt werden. Dies nimmt etwa 10-15 Minuten in Anspruch.

Ziel dieser Untersuchung ist es, die spezifischen Anforderungen und Belastungen von Lehrbeauftragten zu identifizieren. Hierbei betrachten wir sowohl den Einfluss kontextspezifischer als auch individueller Aspekte. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sollen dazu beitragen, die Beschäftigungssituation von Lehrbeauftragten zu verbessern.
Um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, ist es sehr wichtig, dass möglichst viele Lehrbeauftragte an dieser Studie teilnehmen.”

Es ist wieder so weit: Am Freitag, den 26.07.2019 begannen die Sommerferien in Baden-Württemberg – und damit die Arbeitslosigkeit von 9.000 Lehrerinnen und Lehrern der staatlichen Schulen. Der Skandal daran ist, dass sehr viele der Betroffenen im September zum neuen Schuljahr wieder eingestellt werden. Sie werden gebraucht – nur in den Sommerferien nicht.

Die Schulferien sind aber fest in die Arbeitszeit und in das Lehrergehalt einkalkuliert. Wer das ganze Jahr über gemäß der Arbeitszeiten unterrichtet, in die bereits unterrichtsfreie Zeiten eingerechnet sind, der muss diese unterrichtsfreie Zeit dann auch erhalten. Alles andere ist Diebstahl.

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Eine internationale Expertenkommission hat am Freitag 19.7.2019 die Entscheidungen zur Exzellenzförderung von Universitäten bekanntgegeben: Bundesweit zehn Universitäten sowie der Berliner Verbund erhalten Födergelder der Exzellenzinitiative. Im Berliner Verbund befinden sich die drei großen Berliner Universitäten und die Charité.

Es bleibt offen, ob denn auch die Arbeitsbedingungen exzellent werden, angesichts von Befristungen im Wissenschaftsbereich und Verwaltung, Outsourcing, Arbeitsverdichtung und schlechter Grundfinanzierung. Verschiedene Abgeordnete kritisierten gegenüber Zeit Campus beispielsweise, die Exzellenzinitiative würde die Hochschullandschaft spalten, die Hochschulen der neuen Bundesländer müssten stärker gefördert werden und Betreuungsqualität und Arbeitsbedingungen spielten in der Exzellenzstrategie keine Rolle. Andreas Keller, hochschulpolitischer Sprecher der GEW, forderte nicht nur mehr Geld zu investieren, sondern diese Gelder auch nachhaltig und verlässlich auszugestalten (vgl. Interview im SWR).

Bund und Länder stellen für die Exzellenzstrategie jährlich rund 533 Millionen Euro bereit, 148 Millionen davon für die Exzellenzuniversitäten. 75 Prozent der Mittel stammen vom Bund, 25 Prozent vom jeweiligen Bundesland der Exzellenzuniversität.

Zwei Artikel der letzten Wochen beleuchten die befristeten Beschäftigungsverhältnisse an Universitäten. Sie lassen Betroffene zu Wort kommen und analysieren Hierarchien, Finanzierung sowie mögliche Lösungsansätze:

Im Artikel “Mit Anfang 40 werden viele Forscher nicht mehr gebraucht” (SZ, 23.06.2019) kommen mehrere Betroffene zu Wort, die die Auswirkungen von befristeter Beschäftigung beschreiben. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz erlaubt eine befristete Beschäftigung von sechs Jahren vor der Promotion und sechs Jahren nach der Promotion. Danach gilt es, eine der knappen Professuren zu ergattern oder sich in den Konkurrenzkampf um Drittmittel zu werfen – ansonsten gibt es plötzlich keinen Platz mehr in der Hochschullandschaft. So steht der Mittelbau unter dem doppelten Druck von befristeten Stellen und unsicherer Zukunftsperspektive.

Als sie an die Akademie zurückkehrte, bekam sie statt der versprochenen Entfristung einen Dreimonatsvertrag präsentiert. “Ich dachte mir, wenn es so weitergeht, brauche ich einen guten Therapeuten”, sagt Marchionni. (…) “Ich weiß nicht, wie wir das nervlich durchgehalten haben.”

Im Artikel “Angst vor der akademischen Abbruchkante” (Tagesspiegel, 10.07.2019) wird deutlich, dass es neben der Frage der Finanzierung auch um Hierarchien geht. Ein großer, in Abhängigkeit gehaltener Mittelbau bilde auch einen “Hofstaat” für die Professor/innen. Der Artikel beleuchtet auch verschiedene Modelle und Forderungen, um prekäre Beschäftigung einzudämmen.

Tilman Reitz, Wissenssoziologe an der Universität Jena (…) fordert, das „ungehemmte Anwerben und Entsorgen wissenschaftlicher Nachwuchskräfte“ müsse aufhören. Derzeit lägen die Chancen von Promovierten, dauerhaft in der Wissenschaft zu bleiben, „nicht akzeptabel“ unter 30 Prozent.

Anlässlich des 100jährigen VHS-Jubiläums ruft der Deutsche Volkshochschulverband zu einer “Langen Nacht der Volkshochschulen” am 20.09.2019 auf. An diesem Abend sollen sich die Volkshochschulen bundesweit mit Veranstaltungen und Schnupperangeboten in der Öffentlichkeit präsentieren. Das Motto lautet “Gesellschaftlicher Zusammenhalt”.

Diese Veranstaltung ist ein guter Anlass, um auf die Belange der Dozentinnen und Dozenten aufmerksam zu machen. Einige ermutigende Beispiele lieferten bereits die KollegInnen in Köln, Stuttgart und Hamburg. Und für eine einfache Aktion braucht ihr im Prinzip nur wenige Dinge:

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Es ist entschieden: Die Chance auf eine Entfristungsoffensive an Deutschlands Hochschulen wurde vertan. In den neuen Wissenschaftspakten stehen dazu keine verbindlichen Vorgaben, obwohl die Mittel dazu mittlerweile da wären.

Das Bündnis “Frist ist Frust” und das “Netzwerk Gute Arbeit in der Wissenschaft” rufen nun dazu auf, den Kampf auf Länderebene fortzuführen:

Aufruf: Den Ländern einheizen!

Der „Hochschulpakt“ wird vom „Zukunftspakt Studium und Lehre stärken“ abgelöst und die Mittel werden verstetigt. Wie werden die Länder diese Mittel einsetzen? Werden sie die Chance nutzen, die verstetigten Mittel als Grundhaushalt aufzunehmen und davon entfristete Stellen mit vernünftigem Lehrdeputat zu schaffen?

Ihr seid gefragt!

  • Sprecht an Euren Hochschulen über die Vergabe der Personalmittel!
  • Macht Euch für konkrete und verbindliche  Entfristungsvereinbarungen in den Verträgen stark!
  • Dauerstellen sind jetzt möglich!

Aufruf des Netzwerk Gute Arbeit in der Wissenschaft

Länder bislang als Bremsklotz erlebt

Dass die Länder bislang eine zweifelhafte Rolle innehatten, beschreibt die Initiative “Frist ist Frust” in ihrer Erklärung “Erkenntnis ohne Konsequenzen” vom 05.06.2019.

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