
Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Zu diesem Anlass melden sich insbesondere Lehrkräfte für Deutsch als Fremdsprache und weisen darauf hin, dass ihr Beruf vor allem von Frauen getragen wird. 2018 erschien bereits ein Beitrag auf Kreidefresser.org, der diesen Umstand betonte. Am 8. März 2019 sprach Clarissa Haziri-Hagner auf der Kundgebung in Stuttgart über ihren Beruf. Sie ist Vorsitzende des Landesarbeitskreis DaZ- und DaF-Lehrkräfte in der GEW Baden-Württemberg und Sprecherin des Bündnis DaF/DaZ-Lehrkräfte. Ein Auszug aus ihrer Rede.
“Das System Integrationskurse funktioniert folgendermaßen:
Die Lehrkräfte sind nicht fest angestellt. Die Lehrkräfte arbeiten als Honorarkräfte im Auftrag des Bundesinnenministeriums, das heißt des Bundes. Dabei unterscheidet sich unser Bundes-Auftrag wesentlich von Bildung an der Schule, in festen und gut bezahlten Strukturen – hier handelt es sich um eine mangelfinanzierte Erwachsenenbildung.
Bildung ist ein Grundrecht. Wir alle haben ein Recht auf Bildung. Und wir, hauptsächlich Frauen, in der Erwachsenenbildung, die wir die Bildung vermitteln, haben ein Recht auf gute Bezahlung für gute Arbeit in der Bildung. Bildung wird aber in der Realität als Ware angesehen und auch so verkauft. Möglichst billig. Stundenlohn wird euphemisierend Honorar genannt, dessen Höhe nicht frei und selbst bestimmt ist.
Das BaMF schreibt für die Integrationskurse, die wir unterrichten, eigentlich 35 € vor, aber dieser Betrag wird in der Regel nur von den VHS-en bezahlt, von privaten Schulen oft unterlaufen.
Die Hergabe der Arbeitskraft erfolgt mit Hingabe bis zur Verausgabung: Frau vermittelt Bildung, Frau vermittelt Sprache, verknüpft mit hiesiger Kultur und regionalen Gepflogenheiten – und erfährt nur geringe finanzielle Anerkennung. Frau arbeitet generell für niedrige Löhne, Männer nicht. Frau spielt aber oft auch seufzend das Spiel mit, um ehrenamtliche Hilfe gefragt zu werden und die dann freilich unentgeltlich zu leisten. Und zwar innerhalb und außerhalb der Arbeitszeit.
Damit muss Schluss sein! Frau leidet unter prekären Arbeitsverhältnissen – und das in der Erwachsenenbildung. In Vollzeit Sprachunterricht zu leisten, bedeutet 1000 – 1500 € netto, keine Frau darf es sich erlauben, längere Zeit krank zu sein und Unterrichtsausfall zu haben. Ganz abgesehen davon, dass die Familienversorgung zu Hause auch noch brach liegt. Ferien, Feiertage oder gar Urlaubszeit bedeuten umgehende verdienstfreie Zeit. Kinder zu bekommen und Mutterschutz zu genießen sind schöne Träume mancher weiblichen Honorarlehrkraft, die knappe Zeit nach der Entbindung schon wieder den nächsten Kurs leitet. Frau wird in Teilzeit gedrängt, oft in Minijobs oder befristete Arbeit. Befristete Arbeit macht ein sorgenfreies Leben im Alter nicht planbar: Auf geht es nämlich oft in die direkte Altersarmut! Frau zahlt in der Weiterbildung, als sogenannte Honorarlehrkraft, ihre Versicherungen zu 100 % Prozent selbst, da beteiligt sich kein Auftraggeber dran.
Soll das Emanzipation sein? Wohl eher strukturelle Diskriminierung in der fraulichen Erwerbstätigkeit: Gezielte ökonomische Vernachlässigung seitens wirtschaftlich kalkulierender Auftraggeberschaft. Längst hat sich im Bereich Integration mittels Spracherwerb die nebenberufliche Feierabendtätigkeit der netten Gattin eines wohlverdienenden Bürgers in eine hauptberufliche Tätigkeit in der Sprach-Bildungsvermittlung gewandelt: Von Montag bis Freitag, von morgens bis abends – denn zu Hause geht die Arbeit mit Nachbereitung und Vorbereitung des Unterrichts weiter.
Damit muss Schluss sein! Wir Sprachlehrkräfte aus dem Bereich Deutsch als Fremdsprache fordern Anerkennung und finanzielle Wertschätzung unserer Leistung: Bildung ist kein Stück Billigware. Bildung ist ein ganz wertvolles Gut in unserer Gesellschaft.
Wir Sprachlehrkräfte aus dem Bereich Deutsch als Fremdsprache fordern langfristig Feste Stellen für die Daueraufgabe Integration durch Sprache.
Wir fordern konkret:
– Lohnfortzahlung bei Kursausfall und bei längerer Krankheit
– eine Anwartschaft auf eine Rente, von der auch gelebt werden kann (die aktuelle Rentenzahlung führt bei unseren Honoraren zur vorprogrammierten Altersarmut!)
– eine gerechte Beteiligung der Auftraggeber an Kranken- und Rentenversicherung
– eine gerechte Entlohnung, wie die anderer Lehrer*innen auch
– Entlohnung orientiert an der Entgeltgruppe 11 des TVöD, das bedeutet 57 Euro pro Unterrichtseinheit,
– die Einlösung unseres Rechts auf bezahlten Erholungsurlaub
Wir wünschen uns: Fair, fair, fair statt prekär!”