Frauen – Frauenberufe – Deutsch als Fremdsprache
„Fühlst du dich als Frau denn von denen respektiert?“, wurde ich als Lehrkraft für Deutsch als Fremdsprache bisweilen gefragt.
Anlässlich des Weltfrauenkampftags 2018 möchte ich auf eine andere Frage des Respekts eingehen, eine Frage mit größerer Tragweite, die mir aber eher selten gestellt wird: „Fühlst du dich als Frau denn von deinem Arbeitgeber respektiert?“
Die Antwort lautet „Nein“. Ich fühle mich als Frau nicht vom BAMF respektiert, nicht von all den anderen zig Fördertöpfen und Geldgebern in der Weiterbildung, welche die Volkshochschulen und Integrationskurse mehr schlecht als recht mitschleifen. Zur Schizophrenie der Weiterbildung gehört, dass diese Geldgeber eigentlich nicht meine Arbeitgeber sind, die ich als Selbstständige offiziell gar nicht besitze. Dennoch sind es diese Geldgeber, die die Grenzen meines Einkommens, meiner Arbeitsqualität, meiner beruflichen Perspektiven und meiner beruflichen Sicherheit abstecken. Für diese Geldgeber habe ich heute schlechte Nachrichten: Frauen beherrschen durchaus genug Mathematik, um auszurechnen, was am Monatsende übrig bleibt. Es ist höchste Zeit, Frauen und Frauenberufe für voll zu nehmen – auch an den Volkshochschulen.
Die Arbeitsbedingungen an Volkshochschulen sind respektlos gegenüber Frauen.
Einerseits wird von Frauen erwartet, dass sie für ihren eigenen Lebensunterhalt aufkommen. Andererseits besteht mit den Volkshochschulkursen ein ganzer Zweig, der in dieser Form nur aus einem einzigen Grund entstehen konnte: Weil es genügend Frauen und Männer gab, die diese Kurse nur zusätzlich zum Hauptjob, zusätzlich zum Partnereinkommen anboten und nicht existenziell darauf angewiesen waren. Im Bereich Deutsch als Fremdsprache ist das Lehrpersonal in erster Linie weiblich. Traditionell handelte es sich um Zuverdienerinnen, doch immer mehr Lehrkräfte müssen von ihrer Arbeit leben, möglicherweise noch Kinder versorgen. Wer über das Armutsrisiko von Frauen spricht, muss sehen, dass dieses Armutsrisiko im öffentlich geförderten Bereich systematisch durch die öffentliche Hand in Kauf genommen wird. Die GroKo-Parteien, die die Mindestbemessungsgrenze für Selbstständige in der Krankenkasse lediglich auf 1.150 Euro absenken wollen, übersehen wieder die Situation von Teilzeitkräften, Wiedereinsteiger*innen und geringverdienenden Selbstständigen – kurz gesagt, die Situation von Frauen.
Die Arbeitsbedingungen an Volkshochschulen sind respektlos gegenüber der Profession „Deutsch als Fremdsprache“. Wer Deutschunterricht so organisiert, dass er sich nur als Zuverdienst eignet, der untergräbt damit auch eine professionelle Ausbildung. Ein Beruf ohne vollumfängliches Einkommen kann keine vollumfängliche Ausbildung erwarten. Diejenigen, die dennoch mit einem Studienabschluss in Deutsch als Fremdsprache auf den Arbeitsmarkt treten, fühlen sich … genau: nicht für voll genommen. Erst kürzlich schilderte mir eine Studentin im Fach Deutsch als Fremdsprache, wie sie regelmäßig damit kämpft, ihre Motivation für das Studium aufrecht zu erhalten. Ein anspruchsvolles Fach wie dieses erfordert aber dringend eine gute, professionelle Aus- und Weiterbildung – alles andere ist eine Unterschätzung und Geringschätzung der Materie.
Die Arbeitsbedingungen an Volkshochschulen sind respektlos gegenüber den Kursteilnehmern. Es besteht eine große Nachfrage nach Deutschkursen, oftmals aber nicht die entsprechende Kaufkraft. Erschwerend hinzu kommt, dass die Investition in den Deutschkurs meist vor dem Eintritt in die Erwerbsarbeit geschieht. Das Bedürfnis nach qualitativ hochwertigen Deutschkursen, die zur Teilhabe befähigen, sollte als Grundbedürfnis anerkannt werden und die dazugehörige Infrastruktur als Grundversorgung. Dass mit dem Integrationskurssystem ein flächendeckendes, staatlich gefördertes Deutschprogramm geschaffen wurde, ist eine Anerkennung dieses Grundbedürfnisses. Jetzt gilt es, auch die notwendigen Lehrkräfte zu akquirieren, auszubilden und zu halten, insbesondere im Alphabetisierungskurs. Man würde niemals den Erstbesten ohne weitere Prüfung eine Brücke konstruieren lassen – im Alphabetisierungskurs konnte zwischenzeitlich fast jede*r unterrichten, die alten Standards sind noch immer nicht zur Gänze wiederhergestellt.
Die Arbeitsbedingungen an Volkshochschulen sind ein personalpolitisches Spiel mit dem Feuer. Die Zuverdienerin ist eine aussterbende Spezies, das pfeifen die Spatzen von den Dächern. Kein BAMF und keine VHS wird das aufhalten können. Es ist nur eine Frage der Zeit. Das BAMF hat dies ein Stück weit erkannt, als es das Mindesthonorar im Integrationskurs anhob. Das ist aber nur der erste Schritt heraus aus den bittersten Niederungen. Mit Sicherheit, beruflicher Perspektive oder angemessener Bezahlung hat das neue Mindesthonorar noch nichts zu tun.
Politik mit Schamgefühl sollte keine Reden am Weltfrauentag schwingen, solange politische Institutionen Frauenberufe mit Füßen treten.
Politik mit Weitsicht sollte jetzt damit beginnen, den Beruf Deutschlehrkraft zu retten.