Am 08.05.2019 sendete das ARD-Mittagsmagazin einen Beitrag anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Volkhochschulen. Im Mittelpunkt: die Arbeitsbedingungen der Dozentinnen und Dozenten. In dem knapp 9-minütigen Video schildert eine Deutsch-Lehrkraft eindringlich ihre Situation, die Finanzstruktur der Volkshochschulen wird erläutert und Annegret Kramp-Karrenbauer muss als Präsidentin des Deutschen Volkshochschulverbands einige kritische Fragen beantworten.

Zunächst wird Ulrike Pfeifer, Deutsch-Lehrkraft an der Volkshochschule Leipzig, vorgestellt. Sie rechnet vor: Für die freiberuflichen DozentInnen müsste das Honorar pro Unterrichtsstunde etwa 60 Euro betragen, um die Sozialabgaben bezahlen zu können und in einem normalen Arbeitsumfang tätig sein zu können. Tatsächlich aber bewegen sich die Honorare zwischen 20 Euro und 35 Euro. Pfeifer schildert die Folgen:
“Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die versuchen, die Honorare durch “Masse” zu kompensieren. Das heißt, sie geben ihre vierzig, fünzig, sechzig Unterrichtsstunden die Woche. Aber gesundheitlich hält man das nicht lange durch.”
Ulrike Pfeifer, Dozentin an der VHS Leipzig, im ARD Mittagsmagazin vom 08.05.2019
Die freiberuflichen DozentInnen müssen auch für den Krankheitsfall sparen, denn wenn sie nicht zur Arbeit kommen können, erhalten sie auch kein Geld. Eine längere Krankheit, so Pfeifer, wäre für sie verheerend. Urlaub? Seit Jahren nicht mehr. Eine Familie gründen? Luxus.

“Manchmal fällt es einem aufgrund der wirtschaftlichen Lage dann schon schwer, am Morgen aufzustehen. Wenn man weiß, dass da eine Perspektivlosigkeit da ist und auch keine soziale Sicherheit. Wenn ich an meine Rente denke, da wird mir mehr als flau im Magen. Ich lande definitiv in der Grundsicherung, wenn ich so weiter machen würde wie bis jetzt.”
Ulrike Pfeifer, Dozentin an der VHS Leipzig, im ARD Mittagsmagazin vom 08.05.2019
Was sagt die Politik dazu?
Im anschließenden Interview betont Annegret Kramp-Karrenbauer, die Volkshochschulen sollten in der geplanten nationalen Weiterbildungsstrategie verankert und finanziell besser ausgestattet werden. Kurz darauf bezeichnet sie die Finanzierung der Integrationskurse als “vernünftig” – die Messlatte scheint nicht allzu hoch zu liegen. Kein Wunder, wenn Kramp-Karrenbauer “im Rahmen unserer Zuständigkeiten” an einem Problem arbeitet, welches aus ihrer Perspektive “nicht von heute auf morgen gelöst werden kann”.
Die Lehrkräfte müssen allerdings jetzt ihre Miete bezahlen, jetzt für das Alter vorsorgen und jetzt entscheiden, ob sie eine Familie gründen können. Diese Probleme müssen sie heute lösen. Und das tun sie: Sie wandern ab in andere Bereiche.
Auch Ulrike Pfeifer schreibt nun Bewerbungen. Sie ist nur eine von vielen engagierten Lehrkräften, die mit viel Herzblut und Einfühlungsvermögen die anspruchsvolle Aufgabe des Deutschunterrichts schulterten – und letztendlich aus ganz einfachen finanziellen Gründen das Weite suchen.
Übrig bleiben diejenigen, die es nicht über sich bringen, sich von ihrem Traumberuf zu trennen, oder diejenigen, die sich finanziell auf ihren Partner stützen können / müssen (1). Auch Ulrike Pfeifer bestätigt: “Wenn man alleinstehend ist, lässt sich von dem, was man an einer VHS [als Dozentin] verdienen kann, kaum leben.”
Das Fazit der Moderatorin: “So kann das 100 Jahre alte System der Volkshochschulen wohl nicht mehr lang funktionieren.”
(1) Lehrkräfte weisen immer wieder auf die gleichstellungspolitischen Auswirkungen der schlechten Bezahlung hin, vgl. Beiträge vom Weltfrauentag 2019, Weltfrauentag 2018. Das Bündnis DaF/DaZ-Lehrkräfte schreibt in seiner Grundsatzerklärung: “Wir setzen uns für die Aufwertung von Frauenerwerbstätigkeit ein. Ihre strukturelle Diskriminierung spiegelt sich in den Arbeitsbedingungen von DaF/DaZ-Lehrkräften – ca. 80% von uns sind Frauen.”